Tansania Kolonialgeschichte im Überblick (2004)
webmaster 28. April 2009
Tansania Kolonialgeschichte im Überblick
1884 / 85
Carl Peters schließt für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft „Schutzverträge“ mit einheimischen Herrschern in Tanganyika (Kisuaheli: „Land hinter Tanga“, einer Hafenstadt im Norden)
1885
Peters erhält einen kaiserlichen Schutzbrief für die Besitzungen der Gesellschaft
1890
Deutschland und Großbritannien regeln im Helgoland-Sansibar-Vertrag ihre Einflusssphären in Ostafrika
1891
Deutsches Reich übernimmt Verwaltung der Kolonie Deutsch-Ostafrika
1905 – 1907
Maji-Maji-Aufstand gegen harte und ungeschickte deutsche Eingriffe in die Sozial- und Wirtschaftsstruktur wird blutig niedergeschlagen
1919
nach dem 1. Weltkrieg (mit Kämpfen 1914-18 zwischen der deutschen Schutztruppe von General von Lettow-Vorbeck und britischen Truppen im Gebiet der Kolonie Deutsch-Ostafrika) verliert Deutschland seine Kolonie
1920
Tanganyika kommt unter Völkerbundmandat
Quelle: Auswärtiges Amt 2003
Julius Nyerere
„Mwalimu“ (Swahili „Lehrer“) Julius Nyerere (1922-1999),
Niemand verkörpert stärker den Emanzipationswillen Tansanias von seiner kolonialen Vergangenheit als Julius Nyerere. Geboren im April 1922 als eines von 26 Kindern des noch von den Deutschen eingesetzten Zanaki-Chiefs Nyerere Burito, wurde der begabte Junge mit 12 Jahren auf die katholische Missionsschule in Musoma geschickt Die Missionare förderten sein Lehrerstudium. Nach Abschluss des College unterrichtete er von 1945-49 als Lehrer an der Missionsschule St. Mary`s in Tabora. Er studierte Geschichte und Ökonomie in Edinburgh. 1961 wurde Nyerere der erste Premierminister des unabhängigen Tanganyika, 1964 nach der Vereinigung mit Sansibar erster Präsident der Vereinigten Republik Tansania. Seine Politik war geprägt durch die Propagierung und Einführung des „Ujamaa“-Sozialismus (Das swahili Wort „Ujamaa“ kann in etwa mit „Familientum“ übersetzt werden) mit umfassendem Verstaatlichungsprogramm, die Betonung der Selbsthilfe und Vermeidung von Abhängigkeit vom Ausland, Blockfreiheit und die Unterstützung der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika.
Das Beispiel Nyerere zeigt die Widersprüchlichkeit der Missionsbildung. In seiner Rede „Erziehung zu Selbsthilfe“ kritisierte er das Missionsschulsystem, das er selbst durchlaufen hatte, weil es „ganz ausgerichtet sei auf eine kleine Elite, die schließlich Sekundarschule bzw. Universität erreiche; weil die Schüler den Kontakt mit dem wirklichen Leben verlören und sich als herrschende, gut bezahlte Sonderklasse im Lande verstünden; weil es nur Buchwissen vermittle und nicht befähige zu praktischer Aufbauarbeit im Staate“.
Seine Einsicht führte Nyerere zur Verstaatlichung des Schulsystems, wobei er jedoch den Religionsunterricht nicht antastete und die Kooperation mit den Kirchen suchte. Die Missionare konnten sich den neuen Entwicklungen nur anpassen und sich der Einsicht beugen, dass aus ihrer Arbeit etwas unerwartet Emanzipatorisches gewachsen war.
Tansania seit der Unabhängigkeit
Größe
945.087 qkm (gut zweieinhalbmal so groß wie Deutschland), davon Sansibar 2.644 qkm
Hauptstadt
nominell: Dodoma (ca. 300.000 Einwohner)
faktisch: Daressalam (ca. 3 Mio. Einwohner)
Bevölkerung
34,5 Mio. (Volkszählung 2002), davon Sansibar ca. 1 Mio.
– davon Ausländer: ca. 20.000 Inder (z.T. Doppelstaatler),
ca. 5.000 sonstige- davon Deutsche: ca. 1.300
jährliche Wachstumsrate: ca. 2,9%
Landessprachen
Amtssprache: Kisuaheli
Bildungs- und Verkehrssprache: Englisch
Religionen
Ca. 40% Christen, ca. 30% Moslems, ca. 30% sonstige; Sansibar ca. 95% Moslems
09.12.1961
friedliche Entlassung Tanganyikas in die Unabhängigkeit, Nyerere wird Premierminister
26.04.1964
Zusammenschluß von Tanganyika und Sansibar zur Vereinigten Republik Tansania mit (Verfassung von 1965) Unionsregierung und Unionsparlament, aber sansibarischer Teilautonomie (eigener Präsident, eigene Regierung, eigenes Parlament, eigene Justiz)
1967
mit Verabschiedung der Arusha-Deklaration begründet Nyerere einen spezifisch tansanischen Sozialismus („Ujamaa“), verbunden mit Verstaatlichungen in der Wirtschaft und einem ländlichen Entwicklungsprogramm, das mit Umsiedlungen zur Bildung von Dorfgemeinschaften einhergeht
1985
Nyerere gesteht das Scheitern des sozialistischen Experiments ein und tritt als Präsident zurück, Nachfolger wird Ali Hassan Mwinyi
1985
Ergänzung der Verfassung durch einen Menschenrechtskatalog
1992
mit einer neuerlichen Verfassungsänderung gibt die CCM ihre Stellung als Einheitspartei auf und läßt andere Parteien zu
Oktober 1995
erste Mehrparteienwahlen zum Parlament und für das Präsidentenamt, massive Wahlmanipulationen in Sansibar, Mkapa als Nachfolger von Mwinyi zum Präsidenten gewählt
14. Oktober 1999
Tod Nyereres in London
29. Oktober 2000
zweite Mehrparteienwahlen zum Parlament und für das Präsidentenamt, erneut Manipulationen in Sansibar, CCM kann ihre ohnehin überragende Stellung im Parlament noch ausbauen, Mkapa wird im Amt bestätigt
Januar 2001
eine Demonstration der Oppositionspartei CUF gegen die Wahlmanipulationen auf Sansibar wird von Sicherheitskräften mit Waffengewalt gestoppt. Es gibt über 30 Tote und eine Flüchtlingswelle von Oppositionsanhängern nach Kenia.
Oktober 2001
Regierungspartei CCM und Oppositionspartei CUF besiegeln ein Programm der Aussöhnung
November 2001
Tansania erreicht als drittes afrikanisches Land den sogenannten ‚completion point‘ und qualifiziert sich damit für einen spürbaren Schuldenerlaß
Mai 2003
Nachwahlen in Pemba/Sansibar verlaufen transparent und fair; Opposition erringt hohen Sieg.
Quelle: Auswärtiges Amt 2004
aus: Bosl v. Papp, K. (Hrsg.): Würzburg in der Fremde, Fremdsein in Würzburg. Echter. Würzburg. 2004.
webmaster 28. April 2009
Tansania Kolonialgeschichte im Überblick
1884 / 85 |
Carl Peters schließt für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft „Schutzverträge“ mit einheimischen Herrschern in Tanganyika (Kisuaheli: „Land hinter Tanga“, einer Hafenstadt im Norden) |
1885 |
Peters erhält einen kaiserlichen Schutzbrief für die Besitzungen der Gesellschaft |
1890 |
Deutschland und Großbritannien regeln im Helgoland-Sansibar-Vertrag ihre Einflusssphären in Ostafrika |
1891 |
Deutsches Reich übernimmt Verwaltung der Kolonie Deutsch-Ostafrika |
1905 – 1907 |
Maji-Maji-Aufstand gegen harte und ungeschickte deutsche Eingriffe in die Sozial- und Wirtschaftsstruktur wird blutig niedergeschlagen |
1919 |
nach dem 1. Weltkrieg (mit Kämpfen 1914-18 zwischen der deutschen Schutztruppe von General von Lettow-Vorbeck und britischen Truppen im Gebiet der Kolonie Deutsch-Ostafrika) verliert Deutschland seine Kolonie |
1920 |
Tanganyika kommt unter Völkerbundmandat
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Quelle: Auswärtiges Amt 2003
Julius Nyerere
„Mwalimu“ (Swahili „Lehrer“) Julius Nyerere (1922-1999),
Niemand verkörpert stärker den Emanzipationswillen Tansanias von seiner kolonialen Vergangenheit als Julius Nyerere. Geboren im April 1922 als eines von 26 Kindern des noch von den Deutschen eingesetzten Zanaki-Chiefs Nyerere Burito, wurde der begabte Junge mit 12 Jahren auf die katholische Missionsschule in Musoma geschickt Die Missionare förderten sein Lehrerstudium. Nach Abschluss des College unterrichtete er von 1945-49 als Lehrer an der Missionsschule St. Mary`s in Tabora. Er studierte Geschichte und Ökonomie in Edinburgh. 1961 wurde Nyerere der erste Premierminister des unabhängigen Tanganyika, 1964 nach der Vereinigung mit Sansibar erster Präsident der Vereinigten Republik Tansania. Seine Politik war geprägt durch die Propagierung und Einführung des „Ujamaa“-Sozialismus (Das swahili Wort „Ujamaa“ kann in etwa mit „Familientum“ übersetzt werden) mit umfassendem Verstaatlichungsprogramm, die Betonung der Selbsthilfe und Vermeidung von Abhängigkeit vom Ausland, Blockfreiheit und die Unterstützung der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika.
Das Beispiel Nyerere zeigt die Widersprüchlichkeit der Missionsbildung. In seiner Rede „Erziehung zu Selbsthilfe“ kritisierte er das Missionsschulsystem, das er selbst durchlaufen hatte, weil es „ganz ausgerichtet sei auf eine kleine Elite, die schließlich Sekundarschule bzw. Universität erreiche; weil die Schüler den Kontakt mit dem wirklichen Leben verlören und sich als herrschende, gut bezahlte Sonderklasse im Lande verstünden; weil es nur Buchwissen vermittle und nicht befähige zu praktischer Aufbauarbeit im Staate“.
Seine Einsicht führte Nyerere zur Verstaatlichung des Schulsystems, wobei er jedoch den Religionsunterricht nicht antastete und die Kooperation mit den Kirchen suchte. Die Missionare konnten sich den neuen Entwicklungen nur anpassen und sich der Einsicht beugen, dass aus ihrer Arbeit etwas unerwartet Emanzipatorisches gewachsen war.
Tansania seit der Unabhängigkeit
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945.087 qkm (gut zweieinhalbmal so groß wie Deutschland), davon Sansibar 2.644 qkm |
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nominell: Dodoma (ca. 300.000 Einwohner) |
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Bevölkerung |
34,5 Mio. (Volkszählung 2002), davon Sansibar ca. 1 Mio. |
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Landessprachen |
Amtssprache: Kisuaheli |
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Religionen |
Ca. 40% Christen, ca. 30% Moslems, ca. 30% sonstige; Sansibar ca. 95% Moslems |
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09.12.1961 |
friedliche Entlassung Tanganyikas in die Unabhängigkeit, Nyerere wird Premierminister |
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26.04.1964 |
Zusammenschluß von Tanganyika und Sansibar zur Vereinigten Republik Tansania mit (Verfassung von 1965) Unionsregierung und Unionsparlament, aber sansibarischer Teilautonomie (eigener Präsident, eigene Regierung, eigenes Parlament, eigene Justiz) |
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1967 |
mit Verabschiedung der Arusha-Deklaration begründet Nyerere einen spezifisch tansanischen Sozialismus („Ujamaa“), verbunden mit Verstaatlichungen in der Wirtschaft und einem ländlichen Entwicklungsprogramm, das mit Umsiedlungen zur Bildung von Dorfgemeinschaften einhergeht |
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1985 |
Nyerere gesteht das Scheitern des sozialistischen Experiments ein und tritt als Präsident zurück, Nachfolger wird Ali Hassan Mwinyi |
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1985 |
Ergänzung der Verfassung durch einen Menschenrechtskatalog |
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mit einer neuerlichen Verfassungsänderung gibt die CCM ihre Stellung als Einheitspartei auf und läßt andere Parteien zu |
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Oktober 1995 |
erste Mehrparteienwahlen zum Parlament und für das Präsidentenamt, massive Wahlmanipulationen in Sansibar, Mkapa als Nachfolger von Mwinyi zum Präsidenten gewählt |
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14. Oktober 1999 |
Tod Nyereres in London |
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29. Oktober 2000 |
zweite Mehrparteienwahlen zum Parlament und für das Präsidentenamt, erneut Manipulationen in Sansibar, CCM kann ihre ohnehin überragende Stellung im Parlament noch ausbauen, Mkapa wird im Amt bestätigt |
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Januar 2001 |
eine Demonstration der Oppositionspartei CUF gegen die Wahlmanipulationen auf Sansibar wird von Sicherheitskräften mit Waffengewalt gestoppt. Es gibt über 30 Tote und eine Flüchtlingswelle von Oppositionsanhängern nach Kenia. |
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Oktober 2001 |
Regierungspartei CCM und Oppositionspartei CUF besiegeln ein Programm der Aussöhnung |
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November 2001 |
Tansania erreicht als drittes afrikanisches Land den sogenannten ‚completion point‘ und qualifiziert sich damit für einen spürbaren Schuldenerlaß |
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Mai 2003 |
Nachwahlen in Pemba/Sansibar verlaufen transparent und fair; Opposition erringt hohen Sieg. |
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Quelle: Auswärtiges Amt 2004
aus: Bosl v. Papp, K. (Hrsg.): Würzburg in der Fremde, Fremdsein in Würzburg. Echter. Würzburg. 2004.